Forschungsvorhaben beschäftigt sich mit der rechnerischen Vorhersage der Eigenschaften neuer zweidimensionaler Materialien
Bei der Entwicklung fortschrittlicher Materialien für Anwendungen in der Energietechnik, Elektronik und Biotechnologie gelten zweidimensionale Materialien (2DM) als besonders vielversprechend. Die Entwicklung neuartiger synthetischer 2DM war das Ziel des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1415 „Chemie der synthetischen zweidimensionalen Materialien“, der im Juli 2020 startete. Unter der Leitung des CASUS-Gründungspartners Technische Universität Dresden ist das Projekt so gut vorangekommen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Förderung nun um weitere vier Jahre verlängert hat. CASUS-Fachleute waren maßgeblich am Folgeantrag beteiligt und werden nun Teil des SFB sein. Damit kann ein wesentlicher Teil der Fördersumme von rund 10 Millionen Euro vom Görlitzer Team genutzt werden, um die eigene Forschung an 2DM voranzutreiben.
Die DFG ist eine selbstverwaltete Forschungsförderungsorganisation in Deutschland. Sie unterstützt über wettbewerbliche Verfahren Forschungsprojekte, die von der Wissenschaft selbst vorgeschlagen werden. „Dieser Erfolg ist für das CASUS besonders wichtig, weil es sich um ein rein wissenschaftsgeleitetes Förderprogramm handelt“, sagt Prof. Thomas D. Kühne, CASUS-Direktor und Forschungsteamleiter. „Es ist das erste Mal, dass CASUS-Forschung mit DFG-Mitteln finanziert wird.“
Neben ihm selbst sowie Prof. Thomas D. Heine (CASUS-Gastprofessor) und PD Dr. Agnieszka B. Kuc (CASUS-Gruppenleiterin) profitieren zwei weitere Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), Dr. Arkady Krasheninnikov und Dr. Rico Friedrich, durch eine erhöhte Anerkennung und Sichtbarkeit innerhalb der deutschen Forschungsgemeinde von der Teilnahme an dem SFB. Insgesamt sind die fünf folgenden HZDR-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und ihre Teams an der zweiten Phase des SFB 1415 „Chemie der synthetischen zweidimensionalen Materialien“ beteiligt:
- Dr. Rico Friedrich, Nachwuchsgruppenleiter „Autonome Materialthermodynamik“
- Prof. Thomas D. Heine, CASUS-Gastprofessor
- Dr. Arkady Krasheninnikov, HZDR-Gruppenleiter „Atomistische Simulation ioneninduzierter Phänomene“
- PD Dr. Agnieszka B. Kuc, CASUS-Gruppenleiterin „Theoretische Chemie“
- Prof. Thomas D. Kühne, CASUS-Gruppenleiter „Theorie komplexer Systeme“
Die Entscheidung über die Fortführung des SFB 1415 wurde Ende Mai bekannt gegeben. Insgesamt wird die DFG bundesweit elf neue SFB und zweiundzwanzig bestehende SFB eine Förderperiode lang finanzieren. SFB ermöglichen die Bearbeitung innovativer, ambitionierter und langfristig angelegter Forschungsprojekte in einem Netzwerk und sollen damit die Entwicklung von Schwerpunkten und Strukturen an den antragstellenden Hochschulen unterstützen.
Nanomaterialien wie keine anderen
2DM sind eine Klasse von Nanomaterialien, die entweder aus einer einzigen oder aus bis zu zehn Schichten eines Materials bestehen. Auf atomarer oder molekularer Ebene zeichnen sie sich durch eine stark abgegrenzte Struktur aus. Die einzigartigen elektronischen, magnetischen und katalytischen Eigenschaften solcher geschichteten 2DM sind auf die starke Bindung in einer Schicht und nur relativ schwache Wechselwirkungen zwischen den Schichten zurückzuführen. Die Forschung konzentriert sich dabei auf verschiedene Anwendungsbereiche. Ein treffendes Beispiel sind 2DM als neuartige Photokatalysatoren, um unter anderem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Neuartige 2DM könnten aber auch als Materialien zur Verbesserung verschiedener Eigenschaften von Batterien und Brennstoffzellen eingesetzt werden.
Das interdisziplinäre SFB-Konsortium „Chemie der synthetischen zweidimensionalen Materialien“, das im Oktober 2024 seine Arbeit an Phase 2 aufnimmt, besteht dann aus 24 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Ziel ist die Erzeugung neuartiger synthetischer 2DM mit hoher Strukturgenauigkeit. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung von In-situ- und Ex-situ-Methoden zur Charakterisierung der Materialien. Das CASUS-Team befasst sich vorwiegend mit dem dritten Thema des Forschungsprogramms: der Beschreibung und Erklärung der chemischen und physikalischen Phänomene von 2DM mit Hilfe aktueller Rechenmethoden und theoretischer Modelle sowie mit der Vorhersage der Erzeugung von 2DM.
„In den vergangenen vier Jahren haben wir am SFB umfangreiches Fachwissen in Bezug auf die Etablierung und Weiterentwicklung neuer Synthesemethoden für anorganische, organische und hybride 2DM gewonnen“, erklärt SFB-Sprecher Prof. Xinliang Feng von der Technischen Universität Dresden. „Wir haben die Entwicklung neuer sowie die Anpassung bestehender Charakterisierungsmethoden an die Besonderheiten von 2DM vorangetrieben und experimentell-theoretisch kombiniert Methoden zur Untersuchung der Struktur-Eigenschafts-Beziehung in 2DM aufgestellt.“
„In den nächsten vier Jahren werden wir neuartige Berechnungsmethoden entwickeln, um 2DM in großem Maßstab am CASUS simulieren zu können. Hierbei kommen maschinelles Lernen und Hochdurchsatz-Berechnungsverfahren zum Einsatz“, fügt Kühne hinzu. „Das Ziel ist klar umrissen: Indem wir noch mehr Struktur-Eigenschafts-Beziehungen etablieren, können wir In-silico-Kandidaten für neuartige 2DM vorhersagen, die bestimmte vorgegebene Eigenschaften haben.“
Über das Center for Advanced Systems Understanding
Das CASUS wurde 2019 in Görlitz gegründet und betreibt digitale interdisziplinäre Systemforschung in unterschiedlichen Bereichen wie Erdsystemforschung, Systembiologie und Materialforschung. Innovative Forschungsmethoden aus Mathematik, theoretischer Systemforschung, Simulation, Daten- und Computerwissenschaft werden mit dem Ziel eingesetzt, komplexe Systeme von bisher nie dagewesener Realitätstreue abzubilden und so zur Lösung drängender gesellschaftlicher Fragen beizutragen. Gründungspartner sind das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ), das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden (MPI-CBG), die Technische Universität Dresden (TUD) und die Universität Wrocław (UWr). Das Zentrum wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) gefördert und wird als ein Institut des HZDR geführt.